Ein «Schweizer Schriftsteller mit einem besonderen Talent, wichtige Fragen zu stellen», so stellt der SWR Lukas Bärfuss vor – Dramatiker, Romancier, Essayist, Dramaturg und Public Intellectual. Er gehört zu den renommiertesten deutschsprachigen Gegenwartsautoren, seine Theaterstücke werden weltweit gespielt, seine Bücher sind in zwanzig Sprachen übersetzt. 2019 erhielt er mit dem Georg-Büchner-Preis die wichtigste Literaturauszeichnung im deutschsprachigen Raum.
Lukas Bärfuss wurde 1971 in Thun in der Schweiz geboren. Bekannt wurde er als Dramatiker mit Stücken wie «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern», für das er 2003 als bester Nachwuchsdramatiker ausgezeichnet wurde und das verfilmt und in 12 Sprachen übersetzt wurde. Sein Stück «Der Bus» erhielt 2005 den Mülheimer Dramatikerpreis. Als Romanautor feierte Bärfuss mit «Hundert Tage», in dem er sich mit dem Völkermord in Ruanda und der Rolle der Entwicklungshilfe befasst, internationale Erfolge.
Immer wieder bezieht Lukas Bärfuss Stellung zu politischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Identität und Migration und gesellschaftlichen Widersprüchen, engagiert sich mit pointierten Debattenbeiträgen, die regelmäßig hohe Wellen schlagen. Sie haben ihm den Ruf eines unabhängigen, kritischen und empathischen Geistes eingetragen.
Bärfuss’ Karriere als Schriftsteller war nicht vorgezeichnet. Früh verließ er die Schule, musste ab dem fünfzehnten Lebensjahr auf eigenen Beinen stehen und lebte als Jugendlicher zeitweilig auf der Straße. Bärfuss arbeitete als Tabakbauer, Eisenleger, Gabelstaplerfahrer und Gärtner. 1997 legte er das Diplom als Buchhändler ab und arbeitete fortan als freier Schriftsteller. Mit seiner avantgardistischen Theatergruppe 400asa feierte er europaweit Erfolge. 2009 ging er als Schriftsteller und Dramaturg ans Schauspielhaus Zürich und erhielt 2013 mit dem Berliner Literaturpreis die renommierte Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik am Peter-Szondi-Institut der Freien Universität Berlin.
Das Aufwachsen in Armut in der reichen Schweiz hat Lukas Bärfuss mit einer besonderen Empathie ausgestattet. Viele seiner literarischen Werke beziehen sich auf diese Erfahrung. In seinem Essay «Vaters Kiste – Eine Geschichte über das Erben» (2022) reflektiert er entlang des Erbes seines Vaters – vor allem Schulden – die eigene schwierige Kindheit. Er fragt, worauf wir Identität gründen, wenn die eigene Herkunft nicht als positives Beispiel taugt und plädiert für eine Neugestaltung des Erbrechts zugunsten der Machtlosen. Sein Roman «Die Krume Brot» (2023) ist der Auftakt einer Trilogie. Darin erforscht er die Grenzen der Freiheit und beschreibt den Kampf um das Überleben einer alleinerziehenden Mutter, selbst Tochter italienischer Einwanderer, im Zürich der 70er Jahre. «Fesselnd, ergreifend und voll gesellschaftlichem Zündstoff», findet 3sat Kulturzeit.
Bärfuss’ Wirken ist facettenreich: Er leitete Theater-Workshops auf der ganzen Welt, arbeitet als Kurator und Moderator, unter anderem an der Ruhrtriennale, und schreibt regelmäßig Gastbeiträge für Tageszeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder die Süddeutsche Zeitung. 2023 kuratierte Bärfuss das Forum beim 14. Literaturfest in München. Er ist Präsidiums-Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Stiftungsrat der Max-Frisch-Stiftung und Mitglied der Jury des Prix européen de l’Essai de la Fondation Charles Veillon.
Lukas Bärfuss wurde vielfach ausgezeichnet: Für den Roman «Koala», in dem er den Suizid seines Bruders verarbeitet, erhielt er 2014 den Schweizer Buchpreis, mit «Hagard» stand er 2017 auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse. 2022 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg zugesprochen. Er lebt in Zürich.